Im Wintersemester 2012/13 fand das Seminar mit dem Titel „Analyse und Vermittlung musealer Darstellungen“ im ABV-Bereich der FU Berlin statt.
Die Studierenden erarbeiteten in Gruppen die Tätigkeitsbereiche einiger der im Museumsbetrieb beteiligten Berufsgruppen und stellten sich den Herausforderungen dieser Bereiche in eigenen Projektarbeiten. Während der Besuche verschiedener Berliner Museen und Expertengesprächen mit VertreterInnen der verschiedenen Arbeitsbereichen (KuratorInnen, Marketing-MitarbeiterInnen, Multimedia-ExpertInnen und MitarbeiterInnen des Bereichs Vermittlung) bekamen sie Einblick in den Aufgabenbereich und den Arbeitsalltag. Die Besuche in den Museen haben die Gruppen hier dokumentiert:
1) Ausstellungen Machen: ein Besuch im Kreuzberg-Museum
Bei unserem Besuch im Kreuzberg-Museum stand das spannende Thema des Kuratierens von Ausstellungen, das „Ausstellung- Machen“ im Mittelpunkt. Es sollte um folgende Fragen gehen:
Wer ist an einer Ausstellungskonzeption und -umsetzung beteiligt?
Welche Arbeitsschritte gibt es von der Idee zur fertigen Ausstellung?
Was gibt es zu beachten, welche Einschränkungen und Ressourcen müssen beachtet werden?
Wie werden Thema, Idee, Darstellung, Konzeption, Zielgruppen, Ressourcen und andere Faktoren zusammengebracht zu einer interessanten Ausstellung?
Dazu besuchten wir zuerst die Ausstellung „Ortsgespräche.Stadt – Migration – Geschichte: vom Halleschen zum Frankfurter Tor“ im dritten Stock des Hauses. Die Ausstellung bestand aus einer bodenbedeckenden Karte von Friedrichshain-Kreuzberg, einer weiteren Karte an der Wand und iPods, die ausgeliehen werden konnten. Mithilfe der Markierungen auf der Bezirkskarte konnten einzelne Hörstationen (zu den realen Orten vor Ort) oder ganze Audioführungen durch den Bezirk angewählt werden. In diesen schildern BewohnerInnen ihre Erlebnisse, Gefühle und Geschichten zu unterschiedlichen Orten in Friedrichshain-Kreuzberg. Zudem gibt es eine Pinnwand, an der die BesucherInnen auch ihre Ideen hinterlassen können.
Die Ausstellung gefiel der Seminargruppe sehr gut, vor allem durch ihren individuell gestaltbaren Charakter, so konnte jede/r bei dem Thema oder dem Ort so lange verweilen, wie er oder sie wollte und eine schnelle Tour oder eine vertiefende Beschäftigung mit einem Ort erleben.
Im anschließenden Fachgespräch mit dem Museumleiter Martin Düspohl in der im Erdgeschoß des Hauses untergebrachten Druckerei ging es um die eingang erwähnten Fragen.
Herr Düspohl schilderte die Geschichte und die aktuelle strukturelle und finanzielle Situation des Hauses. Da es eine bezirkliche Einrichtung ist, gibt es nur ein geringes Budget und nur wenige Stellen im Haus. Für große Ausstellungen muss daher immer ein Antrag auf Drittmittel gestellt werden und davon Personal und Material finanziert werden.
Zum Auftrag des Museums als Stadtteilmuseum berichtete Herr Düspohl ausführlich von den Schwierigkeiten, in einem Haus den Bewohnern zweier unterschiedlicher (administrativ zusammengelegter) Bezirke gerecht zu werden und zudem die wachsenden Zahlen ausländischer Besucher zu bedienen. Besonders interessant und von vielen Nachfragen begleitet waren seine Ausführungen zu seinem Konzept eines Stadtteilmuseums als offenem Haus, in dem viele Bewohnergruppen eigene Ideen einbringen können, sowie zu der Resonanz zu einigen Ausstellungen und den Bemühungen, auch Bewohnergruppen ins Museum einzuladen, die sonst selten vertreten sind. Auch erklärte er, wie arbeitsteilig der Prozess des Ausstellung-Machens ist und welche Konflikte dadurch entstehen können und welche Kompromisse dadurch nötig werden. Insgesamt wurde deutlich, dass der Auftrag der Institution, die Vision der/s Ausstellungsmachers/in,die breitere Museumslandschaft, politische Strukturen, finanzielle, räumliche, personelle und andere Gegebenheiten und vieles mehr den Prozess des Ausstellungs-Machens beeinflussen.
2) Exkursionsbericht: Deutsches Historisches Museum (DHM)
Nach dem wir uns eine Woche zuvor im Bezirksmuseum Friedrichshain Kreuzberg mit dem Arbeitsbereich der Ausstellungsgestaltung auseinandergesetzt hatten, stand unser Besuch des DHM unter dem Thema „Bildungs- und Vermittlungsarbeit im Museum“. Nach einem sehr kurzen Ausstellungsbesuch, bei dem wir exemplarisch für die Dauerausstellung einzelne Stationen und Objekte besuchten, die sich auf die eine oder andere Art mit dem Thema Migration auseinandersetzen, trafen wir einen Vertreter der Abteilung Bildung und Vermittlung für ein ausführliches Gespräch zum Thema Bildung und Vermittlung im DHM. Neben Aufbau und Zusammensetzung des Bereichs, der in die Abteilung „Ausstellungen“ eingegliedert ist, ging es in der Diskussion um die konkrete Arbeit der Museumspädagogen: welche Angebote gibt es, wer nimmt sie wahr, was sind die Voraussetzungen für eine Anstellung in diesem Bereich des DHM? Der Pädagoge gab uns zu all diesen Fragen auf der Basis seiner persönlichen Erfahrungen Auskunft. Dabei erfuhren wir, dass das DHM in seiner Funktion als „offizieller Repräsentant deutscher Geschichte“ nicht nur von Schulklassen aller Altersstufen, sondern auch von Integrations- und Elternkursen sowie Lehrgangsgruppen der Bundeswehr besucht wird. Das Angebot für Schulklassen erstreckt sich über einstündige epochenspezifische Führungen, themenzentrierte Workshops und Projektwochen für die unteren Jahrgangsstufen bis hin zu Filmwerkstätten und Angeboten, die Museumsbesuche mit einem Theaterbesuch verbinden. Neben den Angeboten für Gruppen konzipiert die Abteilung Bildung und Vermittlung auch Veranstaltungen für ältere Besucher*innen, Besucher*innen mit Behinderungen und Familienprogramme.
Auch auf die Hindernisse und Schwierigkeiten der Museumspädagogik kamen wir in der Diskussion zu sprechen. Dabei ging es insbesondere um den Standpunkt der Bildungsarbeit im Verhältnis zu anderen Aufgabengebieten und Bereichen des Museums, insbesondere denen der Ausstellungsgestaltung und der Öffentlichkeitsarbeit. Wir als Kursteilnehmer*innen konnten aus diesem Gespräch die Erkenntnis mitnehmen, dass es zwischen den Arbeitsbereichen im Museum zwar meistens geordnete Machtverhältnisse, aber immer auch Aushandlungsmöglichkeiten gibt.
AG Bildung und Vermittlung
3) Exkursion: Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
Der Besuch der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen diente dazu, sich näher mit der Öffentlichkeitsarbeit bzw. den Tätigkeitsfeldern der Abteilung Kommunikation zu beschäftigen. Dafür nahm sich Frau Hollmann, die an der Deutschen Kinemathek in der Abteilung Kommunikation für die Bereiche Marketing und Veranstaltungen verantwortlich ist, Zeit für ein sehr aufschlussreiches Fachgespräch.
Sie konnte uns von allgemein von der Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Kinemathek, sowie spezielle Techniken und Gestaltungsmethoden einzelner Marketinginstrumente beschreiben und erklären: In einer Stadt wie Berlin, in der es mehr als 170 Museen gibt, ist jedes einzelne Museum darauf angewiesen, auf sich und seine Ausstellungen aktiv aufmerksam zu machen. Auch wenn es sich bei der besucherorientierten Vermittlung und Ausstellung nur um einen Teilaspekt der vier Hauptaufgaben der Institution Museum handelt, tritt eben dieser Aspekt neben dem Sammeln, Bewahren und Forschen in den Vordergrund. Das Selbstverständnis der Institution Museum ändert sich in Deutschland jedoch erst im Laufe der 1960er Jahre. Die besondere Gewichtung der Vermittlung und der damit verbundenen Orientierung am Besucher ist jedoch erst Ende der 1970er Jahre anzusiedeln und entwickelte sich stetig weiter. Ausgehend von der Besucherorientierung ist es heutzutage üblich, dass nicht nur Unternehmen des Privatsektors, sondern auch Kulturinstitutionen wie Museen eine eigene Marketingstrategie entwickeln, um ihre Potentiale auszubauen.
Aus dem Fachgespräch ging hervor, dass sich unter den Besuchern der Kinemathek besonders viele Touristen befinden. Diese werden durch spezielle Angebote in Reiseführern und durch verschiedene Reiseagenturen, die direkt mit dem Haus zusammenarbeiten, beworben. Die Arbeit des Museums besteht daher unter anderem daraus, auf Tourismusmessen vertreten zu sein. Dies dient der Kontaktpflege, der in diesem Sektor besonders wichtig ist, da Gruppenbesuche auf diese Weise gefördert werden. Als kostenlose Variante der Öffentlichkeitsarbeit wird das Direktmailing genutzt, bei dem Newsletter und spezielle Angebote direkt an Hotels verschickt werden. Diese Direktmarketingstrategien sind jedoch nicht die einzigen Bemühungen der Kinemathek Besucher zu werben. Heutzutage wird viel Werbung und Öffentlichkeitsarbeit über Internetseiten und die Nutzung von Social Media (Facebook, Twitter etc.) betrieben. Diese Tendenz zum Online-Marketing lässt sich nicht nur mit einer zunehmend größer werdenden Konkurrenzsituation im Kultur- und Freizeitsektor begründen, sondern hat auch ökonomische Gründe.
Mittlerweile gehört es zum Standard eines Museums, eine eigene Homepage zu betreiben, die für gewöhnlich – so auch im Falle der Kinemathek – einem institutionseigenen, unverwechselbaren Design folgt. Das Corporate Design der Kinemathek wird, wie aus dem Fachgespräch hervorging, strikt eingehalten. Es wurde von einer professionellen Grafikagentur entwickelt, die nach wie vor mit dem Museum zusammenarbeitet. Hierbei handelt es sich jedoch um eine kostenintensive Zusammenarbeit, die nicht von allen Museen getragen werden kann. In diesem Kontext ist zu betonen, dass alle Veröffentlichungen auf der Homepage, sowie alle klassischen Drucksachen wie Flyer, Broschüren, Eintrittskarten und Plakate diesem Design folgen. Frau Hollmann erklärte uns, dass der Wiedererkennungseffekt ihres Hauses auf den verschiedenen Drucksachen jedoch nicht nur durch das einheitliche Logo und der Verwendung bestimmter “Hausschriftarten” gewährleistet wird. Der Wiedererkennungswert wird hingegen besonders durch eine grafisch wiederkehrende Schräge erzeugt, an der sich Farbgestaltung, ebenso wie Anordnung von Textelementen und Bildern orientieren. Wie aus einer internen Broschüre zum Corporate Design hervorgeht, orientiert sich der Winkel der eingesetzten Schräge am Logo der Institution.
Im informativen Gespräch wurde weiterhin erläutert, dass stets gleiche Eintrittskarten-, Flyer- und Plakatformate verwendet werden. Zudem machte man uns den Prozess der Erarbeitung einzelner zur Veröffentlichung bestimmter Texte deutlich: Um nach außen einen einheitlichen Sprachstil der einzelnen Abteilungen des Museums zu gewährleisten, werden alle diese Texte gesammelt, besprochen und von einem Redakteur zentral bearbeitet. Dabei wird z.B. besonders darauf geachtet, dass nicht zu viele und zu spezielle Fremdwörter benutzt werden, dass keine Superlative verwendet und dass auf Flyern nur kurze Sätze verwendet werden. Eine Ausnahme dieses strikten Umgangs mit dem Außenbild bildet der Facebook-Auftritt des Museums, da sie besonders an ein junges Publikum gerichtet ist und sie somit formal lockerer gestaltet ist bzw. Texte entsprechend formuliert. Nichtsdestotrotz wird sie genauso gewissenhaft wie alle anderen Auftritte betreut.
Im Rahmen des Fachgesprächs wurde deutlich, dass durch die genaue Einhaltung dieser zuvor erläuterten formalen und gestalterischen Merkmale im Kontext der Öffentlichkeitsarbeit ein einheitliches Erscheinungsbild des Museums gewährleistet wird, welches auf eine positive und seriöse Wahrnehmung der Öffentlichkeit abzielt.
AG Kommunikation
Exkursionsbericht: Museum Neukölln
Bei unserem Besuch der ständigen Ausstellung des Museum Neukölln auf dem ehemaligen Gutshof Britz sprachen wir, nachdem wir selbst einen Eindruck der Ausstellung gewinnen konnten, mit dem Museumsleiter Dr. Udo Gößwald über das laut Katalog „in bundesdeutschen Museen bislang einzigartig(es)“ Ausstellungskonzept. Einzigartig dadurch, dass es dem Besucher durch real räumlich vorhandene, dingliche (99) Originalobjekte -ausschließlich in Kombination mit beweglichen Computerterminals- auf dem verhältnismäßig kleinen vorhandenen Ausstellungsraum sehr umfangreiche Informationen vermittelt. Infos zu den (hier gänzlich unbetitelten) Objekten erhält der Besucher also nicht, wie sonst üblich, durch in der Regel verknappte Texttafeln, sondern durch den Einsatz von modernster Computertechnik, die so konzipiert ist, dass sie den Ansprüchen und dem vorausgesetzten Können in der Anwendbarkeit sämtlicher Alters- und Besuchergruppen gleichermaßen genüge trägt.
Dr. Gößwald erklärte uns, dass durch diese assoziative Betrachtungsweise zunächst die Neugier des Besuchers geweckt werden soll, der hierdurch eingeladen, ja aufgefordert ist, selbst nach der Erklärung des Objektes zu suchen, welche er dann schließlich auf „multidimensionaler Ebene” entdeckt. Auf diese Weise kann ein Zugang zu den verschiedenen Ausstellungsobjekten auf mehreren Ebenen aktiv erfolgen – also sinnlich, physisch-real, kognitiv, gedanklich, etc. wahrgenommen und reflektiert werden. In der virtuellen Datenbank der Computerterminals „warten“ die im Raum real ausgestellten Objekte via Touch-Screen darauf, vom Besucher angeklickt und erforscht zu werden. Dort nach zeitlicher, thematischer sowie sozial- und kulturgeschichtlicher Sortierung vorgestellt und erläutert, erhält der Museumsbesucher anhand von Text-, Foto-, Video- und Audiomaterial (darunter zahlreiche Zeitzeugen-Berichte) weitreichende Informationen über Geschichtliches, sowie aktuell Gegenwärtiges aus dem Bezirk Neukölln. Sogar auf spielerische Weise, durch ein leichtes Quiz, kann Wissen aufgenommen werden. Mit nur 99 Objekten werden durch diese Art der engen Verknüpfung mit Multimedia weitreichende Epochen und Themenfelder zugänglich gemacht und vermittelt.
Die Terminals sind beweglich und lassen sich vor das jeweilige reale Exponat rollen, so dass das Objekt als solches trotzdem immer im Blickfeld des Betrachters bleibt oder zumindest bleiben kann. Wir fragten uns, ob ein „Versinken am Terminal“ bei aufkommender Bezuglosigkeit gegenüber dem real existierenden Objekt nicht doch aufkommen müsse, doch wurde dieser Punkt seitens Dr. Gößwald als minimal eingestuft und zerstreut. Wahrscheinlich aufgrund der Raumgröße im Verhältnis zur Besucherzahl oder der Tatsache, dass es den meisten Besuchern keine Freude bereitet würde, nur am Terminal zu „surfen“, wenn sie doch bereits im Museum stehen.
Das Museum Neukölln versteht sich nicht nur als Ort der Orientierung, sondern auch als Ort der Begegnung und lädt zum Wiederkommen und zur aktiven Teilnahme ein. So wurde uns zum Beispiel mitgeteilt, dass viele der Besucher, zumeist Bewohner des Bezirkes wiederkommen- teils, um neue Geschichten zu einem Objekt zu erfahren oder einfach um noch weitere Objekte zu erkunden, da es beim ersten Besuch nicht möglich gewesen sei, alles zu erfassen. Ambitionierte, engagierte Bewohner des Bezirks können auf der Website des Museums ihre persönliche Geschichte in Bezug zu einem Objekt schildern und auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur Geschichte ihres Bezirks Britz und Neukölln leisten.
Zusätzlich zur Ausstellung wurden wir noch in den dem Museum angeschlossenen sogenannten „Geschichtsspeicher“ und in das Archiv hinauf geführt, welche als weitere Quellen zur Erschließung der Geschichte Neuköllns genutzt werden können.
Wir und auch weitere Kommilitonen fassten diese Ausstellungsform und das Museumskonzept insgesamt als ein sehr Lebendiges auf, sowohl für die Besucher-, als auch für die Veranstalterseite. Durch die „eigene Anwendung“ ist der Besucher aktiv an der Wissensaufnahme beteiligt, was durch die frei zur Verfügung stehende Auswahlmöglichkeit, mit welchem Objekt man sich (überhaupt oder in welcher Reihenfolge), allein oder gemeinsam befassen möchte, noch verstärkt wird. Und die Veranstalter haben die Möglichkeit, ihre Datenbank stets aktualisieren und wachsen lassen, zudem stehen sie dabei in engem Kontakt mit Neuköllnern, was wir als einen tollen, weil authentischen und wertvollen Beitrag zur Kulturarbeit auffassen.
(Wir hatten bei unserem Besuch Glück, denn an der Diskussionsrunde konnte durch Zufall auch das Entwickler-Team der Multimedia-Anwendung teilnehmen. So erhielten wir zudem noch Informationen zur technischen Umsetzung.)
AG Multimedia–
Die vollständige Website zum Seminar ist hier zu finden: http://representingmigration.wordpress.com/das-seminar/
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